Türkei - EU

Hat Erdogan die EU mit Flüchtlingen erpresst? Verhandlungsprotokoll zum 3 Milliarden-Deal geleakt.

10.02.2016 • 12:18 Uhr
          

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker
Das griechische Nachrichtenmagazin Euro2Day hat am Montag Dokumente veröffentlicht, die belegen, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die EU in Zeiten der Flüchtlingskrise vor sich hertreibt. In den geleakten Gesprächsprotokollen spricht Erdogan unverhohlen von 10.000 bis 15.000 toten Flüchtlingen, wenn die EU auf Erdogans Milliardenforderungen nicht eingeht.
 
 Auch sonst ist das Gespräch geprägt von Konfrontation. Insider bezeichnen die Dokumente als echt.
Es war der 16. November des vergangenen Jahres als sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Rande des G20-Gipfels in Antalya trafen. Ziel des Dreiergespräches war es, Antworten auf die Flüchlingskrise zu finden. Doch was die griechische Nachrichtenseite Euro2Day nun aufgedeckt hat, zeigt, wie auf höchster politischer Ebene menschliche Erwägungen keine große Rolle spielen. Stattdessen dominieren Machtpolitik, verletzte Eitelkeiten und Geschacher wie auf einem Basar die Gespräche zwischen der EU und der Türkei.

Natürlich ging es dabei vorrangig ums Geld. Die von der EU zugesagten drei Milliarden Euro, die in den kommenden zwei Jahren an die Türkei fließen sollen, empfindet Erdogan als zu wenig. Ob der Vorschlag drei oder sechs Milliarden Euro laute, fragt dieser um kurz darauf klar zu machen, dass er - der Torwächter der EU - jederzeit die Schleusen nach Bulgarien und Griechenland öffnen und die Flüchtlinge in Busse zu setzen kann. Erdogan:
"Wenn sie 3 Milliarden für zwei Jahre sagen, gibt es keinen Grund weiter zu diskutieren."
Quelle: Euro2Day.gr
Quelle: Euro2Day.gr
Im weiteren Verlauf des Gespräches legt der türkische Präsident noch einmal nach. 10.000 bis 15.000 Flüchtlinge könne dieser jederzeit losschicken. "Wie wollen sie damit umgehen?", fragt er die beiden hochrangigen EU-Vertreter. Als rhetorische Frage ist in dem Gesprächsprotokoll vermerkt: "Wollen sie die Flüchtlinge dann töten?"
Auch das mögliche Einsickern von Terroristen in die EU bringt Erdogan offen ins Spiel:
"Bei den Anschlägen von Paris geht es um Armut und Ausgrenzung. Diese Leute sind ungebildet, aber sie werden auch in Europa weiterhin Terroristen sein."
Euro2Day.gr
Euro2Day.gr
Gegen Ende des Kuhhandels wird es noch einmal ungemütlich: Noch einmal betont Erdogan, das von ihm geforderte Geld sei nicht für die Türkei sondern für die Flüchtlinge. Seit 53 Jahren würde die EU zudem die Türkei verhöhnen, woraufhin Juncker anbringt, die Türkei sei in dieser Zeit nicht immer "ein Beispiel für Demokratie gewesen."
Erdogan:
"Das waren Deutschland und Großbritannien, die einen großen Krieg zu verantworten hatten, auch nicht. Ebenso wenig Griechenland, Portugal, Spanien, etc."
Die beiden EU-Gesandten reden ihrem Verhandlungspartner erneut ins Gewissen. Bis zum 29. November brauche es ein Abkommen und außerdem gelte es fair zu bleiben. Alleine Deutschland habe nur im Jahr 2015 sechs Milliarden Euro an Kosten im Zuge der Flüchtlingskrise decken müssen.
Zur Verabschiedung bezeichnet Erdogan die angebotenen drei Milliarden Euro nochmal als "Beleidigung."

Zwar hat die Türkei später dem Drei-Milliarden-Deal zugestimmt, ab 2017 soll allerdings nachverhandelt werden. Zudem streiten sich die EU und die Türkei derzeit noch um die organisatorischen Aspekte der Zahlungen. Geht es nach Brüssel soll das Geld, dessen erste Tranche Ende März fällig wird, kontrolliert und direkt in Projekte fließen. Ankara will hingegen möglichst freie Hand bei der Verwendung des Geldes.

Beobachter vermuten, dass der griechischen Nachrichtenseite Euro2Day die entlarvenden Dokumente aus verhandlungstaktischen Gründen seitens der EU zugespielt wurden. Zwar belegt das Gesprächsprotokoll auch in wenig schmeichelhafter Weise, wie sehr Brüssel mittlerweile am Gängelband des "Sultans" hängt, genau jener macht aber eine wenig diplomatische und lösungsorientierte Figur in der Unterhaltung vom November.

EU-Kommission und Europäischer Rat wollten die Echtheit des Leaks bisher weder bestätigen noch dementieren. Gegenüber Dritten habe ein hochrangiges Kommissionsmitarbeiter aber bestätigt, dass das Gesprächsprotokoll authentisch ist.

 
 
 
 

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